Für seine schwarz-weißen Arbeiten nutzt Westermann die traditionelle Technik der Hinterglasmalerei bewusst in einer neuen, konzeptuellen Weise: Die makellose, spiegelglatte Oberfläche der Glasscheibe rückt das abgebildete Motiv in unerreichbare Ferne; der abgebildete Gegenstand und das Bild werden somit zur kostbaren Preziose erhoben. Ähnlich der Exponate einer Vitrine wird das Abgebildete zur Schau gestellt und zugleich hinter einer Glasscheibe dem direkten Zugriff entzogen. Wie bei Abbildungen von Hochglanzmagazinen setzt sich das in Westermanns Hinterglasbildern Dargestellte durch ein Raster zusammen. Die einzelnen Rasterpunkte werden jedoch nicht in der seriellen Massenproduktionsweise des Printmediums gedruckt, sondern in einem langwierigen Prozess hinter der Plexiglasscheibe von Hand aufgetragen. An der Stelle der möglichst schnellen, effizienten Herstellung einer hohen Auflagenzahl steht bei Westermann ein geradezu meditatives Hinarbeiten auf ein einziges, möglichst perfektes Original.
Die Suggestion der täuschend echten Plastizität des Abgebildeten ergibt sich durch Verdichtung der Punkte, die sich beim Betrachten optisch als Verdunklungen/Verschattungen zusammenziehen. Bei genauem Hinsehen lassen sich jedoch die einzelnen Punkte und damit der Herstellungsprozess weiterhin erkennen. Das Ringen sowie der lange Weg zum perfekten Bild bleiben dadurch erahnbar; das Bild bleibt "das Ergebnis eines künstlerischen Prozesses" (Petra Weigle, Institut für moderne Kunst Nürnberg). Um die kritische Befragung von Bildlichkeit und künstlerischer Bildgenese fortzusetzen treibt Thilo Westermann seine künstlerische Position auch im Medium des Druckes voran. Hierzu lässt er seine Hinterglasarbeiten professionell ablichten und in fünffacher Vergrößerung in limitierter Auflage auf alterungsbeständiges Spezialpapier drucken. Das Ergebnis ist ein großformatiger Giclée-Druck, der durch klassische Rahmung selbst zum Tafelwerk veredelt wird. Durch die Vergrößerung und Wiederholung des ursprünglichen Hinterglasbildes wird dieses einerseits wie durch ein Werbeposter beworben, andererseits aber in seiner manuellen Machart entlarvt: Indem das Motiv des Originals durch den Druck formal an Größe gewinnt, werden die Arbeitsspuren des Originalbildes und damit dessen maltechnischen Ungenauigkeiten vorgeführt.
Der Druck selbst thematisiert daneben seine eigenen Bildlichkeit: Er tritt zwar als autonomes Tafelbild auf, bleibt jedoch Reproduktion. Damit wird durch die fotografische Vergrößerung der Arbeitsspuren des Hinterglasbildes durch den Druck nicht nur das Perfektionsstreben des Hinterglasoriginales, sondern auch die Abhängigkeit des fotografischen Tafelbildes (Druck) von seiner Vorlage verdeutlicht.
Thilo Westermanns monochrome Buntstiftzeichnungen sind nach dem Farbton des jeweils verwendeten Stiftes benannt. Durch das Auftragen unterschiedlicher zeichnerischer Strukturen bildet sich beim Zeichnen allmählich eine Bildwelt heraus, die weder einen vorgefundenen Gegenstand abbildet noch von einem solchen abstrahiert sondern vielmehr als zweite, künstlich erzeugte Natur auftritt: Westermanns Zeichnungen schweben wie Phänomene vor der Wand, die zwar mit dem Vergrößerungsglas untersucht, aber nicht abschließend oder allgemeingültig entschlüsselt werden können. Die Titel der Zeichnungen bzw. die Benennung des jeweiligen Farbtones erinnern zwar bildhaft an Naturphänomene wie "Himmelblau", "Grasgrün" oder "Lichtgelb", verweisen aber letztendlich nur auf die aufgetragene Farbe selbst. Damit rückt das subjektive Erfahren und Assoziieren mit dem Bild selbst ins Zentrum des Betrachtens.