Jim Thompsons Leben und Werk war von Extremen geprägt. 1906 geboren, thematisierte er in seinen Romanen Gewalt, Habgier und individuelles Scheitern als Selbstverständlichkeiten des amerikanischen Alltags. Nach vorübergehender Anerkennung, Alkohol-Exzessen und persönlichen Tiefschlägen starb Thompson 1977 verarmt und verbittert in Hollywood. Zu diesem Zeitpunkt war keines seiner 29 Bücher auf dem amerikanischen Markt. Später wurden viele seiner Bücher verfilmt, wie "After Dark, My Sweet" 1990 durch John Foley. Thompsons Figuren balancieren stets am existentiellen Abgrund, der Traum vom Erfolg endet für seine Charaktere häufig im Absturz ins Nichts.
Patrick Cierpka malt Menschen, die dem modernen Großstadtleben standhalten müssen. Im Versuch, aktiv zu gestalten, scheinen sie häufig aufgesogen zu werden, verloren zu gehen oder an Flucht zu denken. Cierpkas Bilder sind Momentaufnahmen, die gleichzeitig den Blick in Vergangenheit und Zukunft freigeben. Dabei wirkt das urbane Leben als Reiz und Bedrohung zugleich. Die Bilder sind Collagen aus abstrakten Flächen und figurativen Elementen, wobei die weite, leere Farbfläche häufig überwiegt. Die menschlichen Gesichter sind für den Betrachter oft noch fassbar, doch gleichzeitig offenbaren sich bei genauem Hinsehen immer neue Schichten und Raumebenen. Wenn sich im Werk "auf der leinwand" ein verschlungenes Paar leidenschaftlich küsst, dominiert die große, braune Fläche in fast bedrohlicher Weise, als könnte sie jederzeit aufbrechen und den Blick auf Unbekanntes freigeben. "So wird der Kuss zum Abschied, denn der Hintergrund ist vergänglich und verbirgt nur noch für kurze Zeit das Neue" (Ivo Götz).
Franziska Furter führt mit ihren Arbeiten ebenfalls in eine andere Wirklichkeit. Die Landschaften und Himmelskörper in ihren großformatigen Tuschezeichnungen sind der visuellen Welt von Comics, insbesondere Mangas entliehen. Es entstehen "künstlich geschaffene Welten, in denen Explosionen, Feuersbrünste und grafische Verfremdungen apokalyptische Momente der Irritation und Bewegung erzeugen" (Eva Scharrer). Furters Graphit-Zeichnungen sind kleiner, intimer, reflektieren aber ebenso Visionen und Halluzinationen, das Eintreten in andere Welten oder Geisteszustände. Ihre skulpturale Raumzeichnung "will-o’-wisp" ("Irrlicht") schwebt in der Oechsner Galerie gleichsam über dem Boden, ein Mischgewächs zwischen Biest und Pflanze, das einerseits an einen schwülstigen Kronleuchter erinnert, andererseits das Licht eher aufsaugt als abgibt. "Irrlichter" sind auch kleine Flämmchen in den Sümpfen, die von Geistern erzeugt werden, um Menschen in die Irre und in den Tod zu führen. Die Titel sind stets wichtiger Bestandteil von Furters Werken. Sie weisen dem Betrachter über das Dargestellte hinaus den Weg in die von Mystik, Science Fiction und Fantasy inspirierte Dimension.
Die Arbeiten von Matthias Lahme tragen dagegen bewusst keine Titel. "Mich interessiert Kunst, deren Rezeption über das Sehen an sich funktioniert", sagt der Künstler. Lahme arbeitet mit den Eigenschaften, die dem Material innewohnen, macht den Entstehungsprozess im Wechselspiel zwischen Form und Farbe für den Betrachter erfahrbar. Für eine Werkgruppe hat der Künstler das Papier so geschnitten und geknickt, dass Rückseite und Kanten sichtbar werden und sich die Fläche in den Raum öffnet. In einer anderen Werkgruppe hat er Redewendungen und Worte verarbeitet, die ihm im Alltag begegnet sind. Dabei nutzt er die Fläche des Papiers zwar konventionell, kehrt das Verhältnis von Schrift und Grund aber um: die weißen Buchstaben sind nicht gemalt, sondern schälen sich allmählich aus der Tusche heraus, die Lahme um sie herum aufträgt. Der helle Text muss sich gegenüber der schwarzen Umgebung existentiell behaupten. Lahmes Werke sind gleichzeitig urpoetische Schöpfungen im Wechselspiel zwischen fest und flüssig, starr und biegsam, verletzlich und gefährlich, zu verstehen auch als "Poesie der Nacht und der Dämmerung" (Novalis).
In Zwischenwelten bewegt sich auch Markus Putze. Doppelbödigkeit, Mehrschichtigkeit und Untergrundströmungen sind Themen und Motive seiner Installationen, Zeichnungen und Aquarelle. Putze zielt auf die Unsicherheit unserer Wahrnehmung. Dinge und Wesen, die scheinbar sind wie sie sind, sind vielleicht doch ganz anders. Eine prominente Rolle spielt dabei der Wald, auch kunstgeschichtlich ein Symbol des Dunklen, Unbekannten und Abgründigen. Die im Dickicht verborgenen oder aus ihm hervortretenden Figuren behaupten zugleich gefährlich drohend und verführerisch lockend ihre Existenz. Sie sind Glücksversprechen und Gefahrenpotential in einem. In Putzes großformatigen Wandarbeiten verbinden sich an Comic, Scherenschnitt und Pin-up erinnernde Elemente mit beinahe klassisch anmutender Malerei. Auch seine Zeichnungen und Aquarelle spiegeln persönliche, teils intime Innenansichten, offenbaren dabei Einflüsse aus Popmusik, Film, Fotografie, Grafikdesign und Internet. Das Ergebnis ist ein ambivalentes Panorama von Lesbarem und Undeutbarem, Abgrund und Zuversicht.
Susanne Roth hat in der Oechsner Galerie bereits in der Gruppenausstellung "Statements" den Reiz des Schwarzen, Dunklen in einer Serie von Arbeiten aus kaschiertem Karton eindringlich dargestellt. In der hier gezeigten Serie "Des Feuilles" ("Blätter") lehnt sich der Titel zunächst direkt an die Herkunft der bearbeiteten Zeitungsausschnitte aus dem Feuilleton an. "Blätter" ist aber auch insofern passend, als die Arbeiten ohne den Ast, den Stamm, die Wurzeln auskommen müssen, mit denen sie einmal verbunden waren. Die Künstlerin hat den Text zu den Bildern aus Theater- und Filmkritiken entfernt, hat damit die Handlung vor und nach diesen Szenen abgetrennt. Sie überlässt die Augenblicke ihrer eigenen Dramatik und betont die neu aufgebauten Spannungsverhältnisse durch hinzugefügte Linien und Balken aus deutlichstem Schwarz. Wie in ihren anderen Papierarbeiten lässt Susanne Roth zum einen das Vorgefundene in seiner stillen Schönheit und Selbstverständlichkeit sprechen, versieht es zum anderen mit eigenen, subtilen und präzisen Spuren. Die Künstlerin rückt die meist zufällig gefundenen Gebrauchspapiere in ganz anderes Licht, haucht scheinbar unauffälligem Material neues Leben ein. In einer Welt der Wort- und Bilderflut, der großen, dunklen Bedrohungen hat es fast etwas Tröstliches: gerade das Weglassen, die reduzierte Form, die leise Eindringlichkeit lenkt uns auf neue Spuren, verleiht dem Gewöhnlichen eine überraschende Schönheit und erstaunliche Kostbarkeit.
Patrick Cierpka, 1967 geboren in Giengen, lebt und arbeitet in Berlin
Ausstellungen: 2009 Galerie Jarmuschek+Partner, Berlin; 2008 Galerie Anna Augstein und Felix Brusberg, Berlin; 2007 Galerie Jarmuschek+Partner, Berlin
Franziska Furter, 1972 geboren in Zürich, lebt und arbeitet in Berlin
Ausstellungen: 2008 doggerfisher, Edinburgh; 2007 Galerie Schleicher+Lange, Paris; 2006 Galerie Friedrich, Basel; 2005 Kunsthaus Baselland, Muttenz
Matthias Lahme, 1974 geboren in Marsberg, lebt und arbeitet in Düsseldorf
Ausstellungen: 2008 Galerie Linn Lühn, Köln; 2006 Galerie Linn Lühn, Köln; 2003 Adeline Morlon Art Direction, Düsseldorf; 2002 Ausstellungsraum Kölnerstraße, Düsseldorf; 2001 hobbypopMUSEUM, Düsseldorf
Markus Putze, 1969 geboren in Kulmbach, lebt und arbeitet in Nürnberg
Ausstellungen: 2009 Galerie Jarmuschek+Partner, Berlin; Villa Concordia, Bamberg; 2008 Oechsner Galerie Nürnberg, Neuer Kunstverein Gießen; 2007 Galerie Jarmuschek+Partner, Berlin; 2006 Zumikon, Nürnberg
Susanne Roth, 1973 geboren in Schweinfurt, lebt und arbeitet in Fürth
Ausstellungen: 2007 Oechsner Galerie, Nürnberg; 2007 Galerie Martin Flaig, Basel; 2006 Kunstverein Kohlenhof Nürnberg e.V.