Westermanns Zeichnungen changieren zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, indem sie objekthaft vor der Wand schweben. Auch das Gezeichnete ist nicht eindeutig festlegbar: Aus sich überlagernden Zeichenschichten lässt der Künstler eine Bildwelt zwischen Flächigkeit und Räumlichkeit entstehen, die weder vorgefundene Gegenstände abbildet noch von diesen abstrahiert. Vielmehr bilden Empfindungen und Stimmungswerte wie der subjektiv empfundene Eigenwert von Farbe den Ausgangspunkt für die Bilder, die Westermann in einem langen, intensiven Prozess zu Papier bringt. Die Oberflächenbeschaffenheit des Zeichenträgers Papier sowie die Materialität der Farbe spielen eine wichtige Rolle bei der Wahl der zeichnerischen Struktur (Punkte, Striche oder der Verzicht auf Struktur in Form möglichst homogener Flächen). Das Bild wächst allmählich heran, indem diese Strukturen überlagernd geschichtet werden. Die einzelnen Schichten bleiben dabei zwar erkennbar, lassen sich jedoch nicht eindeutig bestimmen oder abgrenzen. Es entsteht eine malerisch-atmosphärische Wirkung, die die Grenzen des Zeichnerischen aufzuheben scheint. Das Spiel mit tradierten Sehgewohnheiten (z.B. Anwendung oder bewusste Negation perspektivischer Mittel) verschmilzt mit dem subjektiven Empfinden des Künstlers und hält das Gezeichnete in mysteriöser Unbestimmbarkeit. Trotz präzisester zeichnerischer Ausführung im Detail bleiben die Arbeiten somit im Rätselhaften.
"Meine Bilder müssen der Betrachtung aus nächster Nähe standhalten", sagt Thilo Westermann. "Sie sollen wie Phänomene an der Wand hängen, die man zwar mit dem Vergrößerungsglas untersuchen, aber nicht abschließend oder allgemeingültig entschlüsseln kann." Dies gilt für Westermanns schwarz-weiße Hinterglasarbeiten, die natürliche Ursprünglichkeit in Gegensatz zu synthetischer Hochglanz-Perfektion setzen. Und es gilt für seine farbigen Zeichnungen, die stets jene unergründliche Faszination bewahren, die den Künstler veranlasst hat, sie auszuführen.